Viren unterscheiden sich gegenseitig stärker als alle anderen Lebewesen, die es gibt. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Art und Weise wie sie ihre Wirtszellen umprogrammieren, stark variieren. In diesem Tafelbild wird dir gezeigt wie Viren anhand ihres Erbgutes in verschiedene Kategorien eingeteilt werden können.
Das Thema ist relativ anspruchsvoll, weshalb im Text zahlreiche Links zu erklärenden Tafelbildern gesetzt sind.

Viren sind speziell, sehr speziell sogar. Während alle anderen Lebewesen ihre Erbinformation in Form von DNA speichern, ist dies nur bei einigen Viren der Fall. Diese Vielfalt sowie weitere Unterschiede zu klassischen Lebewesen, führen dazu, dass in der Wissenschaft noch immer darüber debattiert wird, ob Viren überhaupt zum Stammbaum des Lebens gezählt werden sollen oder nicht.
Weil die Viren untereinander so divers sind, werden sie auch nicht anhand ihres Aufbaus oder ihrer Wirte in Kategorien geteilt, sondern anhand ihrer Genexpression. Das heisst, sie werden danach unterschieden, welche Wege sie nehmen, um ihr Erbgut zu translatieren, um ihre Wirtszellen auf Virusproduktion umzuprogrammieren. Die zentrale Schaltstelle bildet dabei die mRNA, also das Stück Erbinformation, das bei allen Lebewesen die Informationen vom Genom zum Ribosom bringt. Die mRNA wird in diesem System als +mRNA bezeichnet, der Gegenstrang der mRNA, also zB. das Gen auf der DNA eines Menschen wäre demnach -DNA. Die mRNA ist somit immer anders herum orientiert als das Gen selber.
Ein System mit sieben Gruppen
Heute werden Viren basierend auf ihrer Strategie zur Genexpression in eine von sieben Gruppen eingeteilt. Die Eigenschaften der Gruppen werden im Tafelbild zusammengefasst.
- I +/-DNA
DNA Viren, die über ein doppelsträngiges Genom verfügen und daraus direkt mRNA bilden können. Auch dsDNA genannt. - II +DNA
DNA Viren, die über ein einzelsträngiges Genom verfügen, das von der Orientierung her bereits der mRNA entspricht (+). Diese Viren bilden ein dsDNA Zwischenprodukt, bevor die mRNA gebildet wird. Auch ssDNA genannt. - III +/-RNA
RNA Viren, die über ein doppelsträngiges Genom verfügen und daraus direkt mRNA bilden können. Auch dsRNA genannt. - IV +RNA
RNA Viren, die über ein einzelsträngiges Genom verfügen, das von der Orientierung her bereits der mRNA entspricht (+). Diese Viren bilden ein -RNA Zwischenprodukt, bevor die mRNA gebildet wird. Auch +ssRNA genannt. - V -RNA
RNA Viren, die über ein einzelsträngiges Genom verfügen, das von der Orientierung her jener eines Gens in der DNA entspricht. Daher muss kein Zwischenprodukt gebildet werden und es kann direkt aus der -RNA die +mRNA gebildet werden. Auch -ssRNA genannt. - VI +RNA RT
RNA Viren, die über ein einzelsträngiges Genom verfügen, das von der Orientierung her bereits der mRNA entspricht (+). Diese Viren bilden ein -DNA und daraus wiederum ein dsDNA Zwischenprodukt, bevor die mRNA gebildet wird. Diese Viren sind insofern speziell, als dass in keiner anderen Lebensform Enzyme für die Reverse-Transkription, also die Umwandlung von RNA zu DNA bekannt sind. Auch Retroviren genannt. - VII Partielle DNA/RNA RT
Partiell doppelsträngige dsDNA Viren, die vor der Bildung der mRNA mehrere Zwischenschritte inklusive reverser Transkription einlegen, wovon nicht alle im Tafelbild dargestellt sind.
Auch dsDNA-RT genannt.
Anzumerken ist, dass diese Gruppe in modernen Betrachtungen des Baltimore Systems häufig mit der Gruppe VI zusammengelegt wird und daraus eine Genom unabhängige RT-Virus Gruppe wird.
Die Vielfalt der Virus Genome ist gross, was es nicht einfach macht den Durchblick zu behalten. Die Möglichkeit Viren aufgrund ihres Genoms und dessen Weg zu mRNA zu klassifizieren, erlaubt es auf einen Schlag sehr viel über alle Viren einer bestimmten Gruppe zu wissen, da die Wege zur mRNA innerhalb der Gruppen gleich sind.
Eine Übersicht aller Gruppen sowie der Einteilung der bekanntesten Viren findest du hier: viralzone.expasy.org
Quellen:
Flint, Enquist et al., Principles of Virology, 3rd Edition, ASM Press
viralzone.expasy.org